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Die Sphären Peter Sloterdijks -
eine Einführung

85. Veranstaltung der Humboldt-Gesellschaft am 14.06.1999 von Stefan Nehrkorn



"Aufklärung ist kein Erwerb von Schätzen, sondern eine Verschwendung von Dummheit, bis sie nicht mehr für den eigenen Bedarf reicht." (1)

Peter Sloterdijk



Nach zahlreichen Veröffentlichungen Peter Sloterdijks sind seit 1998 bereits zwei Bände seines als Trilogie angelegten Hauptwerks Sphären erschienen, in denen er unter philosophisch-anthropologischem Blickwinkel eine historisch orientierte Zusammenschau der unterschiedlichen Weisheitstraditionen versucht, um den (Zitat) "beseelten Raum der Gattungsgeschichte" auszuloten.

In Sphären I unternimmt er den Versuch den Bereich "bergender Mikrosphären" nachzuzeichnen.

Sloterdijk: "Das philosophische Engagement von Sphären I besteht in dem Vorsatz, die in der philosophischen Tradition stiefmütterlich behandelte Kategorie der Relation, der Beziehung, des Schwebens in einem Ineinander-Miteinander, des Enthaltenseins in einem Zwischen, zu einer erstrangigen Größe zu erheben und die sogenannten Substanzen und Individuen nur als Momente oder Pole in einer Geschichte des Schwebens zu behandeln. Dies alles aber nicht im Stil einer Dialogphilosophie (...) sondern mit Hilfe einer profanen oder anthropologischen Theorie des geteilten Raums oder des subjektiven Feldes." (Nachtrag 2001 aus: Peter Sloterdijk, Hans-Jürgen Heinrich: Der Tod und die Sonne - Dialogische Untersuchungen, Frankfurt 2001, S. 139)

Sphären II wendet sich den "großen integrierenden Sphären" zu.

Sloterdijk schreibt: "Das vorliegende Buch (ist) ein Mausoleum des "All-Einheitsgedankens" (...). Kann man in Fragen des Mausoleum-Baus noch etwas von Stalin lernen? Durchaus, denn da auch wir vorhaben, die Metaphysik in einem gläsernen Sarg zu präsentieren, gehört es sich, daß wir die Tote so zeigen, als schlafe sie nur." (Sphären II, S. 139)



Peter Sloterdijk beschrieb den methodischen Zugang zum Themenkreis der beseelten Räume seiner Sphären-Trilogie im Rahmen eines Radiogesprächs.

Sloterdijk: "Meine Grunderfahrung ist die des Sphärenbruchs, das heißt, dass andere Menschen so wie ich auch eine Erfahrung machen können und vielleicht sogar in ihr stehen bleiben können, dass sie von allen guten Geistern verlassen und aus allen guten Geistern herausgefallen sind: Aus allen Sphären herausgefallen sein ist sozusagen die Grundsituation eines dunklen Existentialismus, von der ich glaube, dass sie sich in meinen frühen Lebenserfahrungen sehr exemplarisch ausgedrückt hat. Exemplarisch in dem Sinne das ich glaube, damals die Sprache gelernt zu haben, bei den Meistern dieser dunklen Existenzialität -Sartre, Camus, Adorno und vielen anderen-, die das Prinzip der bürgerlichen Kälte, das Prinzip der kosmischen Vereinsamung des Menschen, das Prinzip der Absurdität und was alles dazugehört für eine ganze Generation verbindlich ausgesprochen haben. Auch Nietzsche hat zu diesem Sprachenstrom der Kälte vieles vorgeleistet als er sagte: Was ist die Welt? Ein Tor zu tausend Wüsten, leer und kalt.
Nietzsche ist eigentlich der Entdecker des Problems, an dem ich weiterarbeite: Wie ist der sphärengestörte Mensch, der Mensch der draußen ist auf seinem Wege durch diese Entfremdungswüste, durch diese Kältewüste und durch die Nichtteilhabewüste so weit gekommen, dass ich für ihn die Frage nach der Wiederherstellung der Teilhabe überhaupt stellen kann. Das ist mein Zugang zu der Geschichte.
Ich weiß, dass andere Menschen andere Problembiographien haben und dass sich für sie dieser Kälteschock der Äußerlichkeit, des Hinausfallens in eine schlechte Existenzialität in der Form nie vollzogen hat wie für mich und ich rühre nicht an die Lebensgeheimnisse von mehr behüteten Menschen. Ich dränge ihnen nicht eine Kälte auf, die nicht die ihre ist. Aber von der Methodik meines Buches her, die viel mit der Selbstreflexion einer radikalmodernen Position zu tun hat, möchte ich darauf hinweisen, dass mein Buch ein Denken beschreibt, das aus der Kälte kommt und das nun von der Kälte her an die Tür des animierten Raumes klopft und fragt: Kann jemand wie ich da noch wieder hinein. Erfülle ich die menschlichen Voraussetzungen dafür, dass ich als Mitglied einer beseelten Sphäre in Frage komme. Meine Lebensgeschichte hat mir zumindest auf der privaten Ebene, auf der Ebene dessen was man vielleicht tiefe Freundschaft nennen kann, inzwischen sehr ermutigende Antworten zugespielt. Ich bin jetzt drinnen. Ich spreche jetzt eine Sprache der wiedergewonnenen Animation. Alles was ich sage beruht auf dieser Erfahrung der wiedergewonnenen Beseeltheit zu mehreren. Und daher verstehe ich auch all die Leser, die aus den Zugangsbedingungen zu meinem Buch manchmal nicht recht schlau werden, ob das nun eine große neomatriarchalische Übung ist: Manche haben geglaubt die Wahrheit zu treffen indem sie mich so ein wenig verspotten als eine Art Jacques Cousteau des Fruchtwassers, der bis in die tiefsten Tiefen vorgeburtlicher Wasserspiele zurücksteigen möchte. Das sind Mißverständnisse für die ich ein gewisses Verständnis habe. Aber ich glaube, dass das was ich eben gesagt habe das Gesamtdesign meiner Entwürfe ganz gut charakterisiert: Ich teile das Wissen der Moderne insoweit, dass ich weiß, was die schwarze Existenzialität bedeutet und auch was das Coolness-Pathos der gegenwärtigen Generation, die auf ein Leben in Oberflächen schwört, bedeuten.
Das sind in meinen Augen zwei Formulierungen des selben Sachverhalts in verschiedenen Temperaturstufen: halbkühl bei Sartre und seinesgleichen und sehr kühl jetzt in diesen Freakkulturen der neuen Medien. Ich weiß, was Oberflächlichkeit ist und ich weiß, was dunkle Existenzialität ist und was das Pathos der Vereinsamung bedeutet, aber ich spreche jetzt ganz bewußt aus der anderen Perspektive, das heißt nach dem Wiedereintritt in diese sich selber reparierende Sphäre der zu mehreren geteilten Beseeltheit." (2)



"Die ganze Kulturaufgabe ist, das "Kraftfeld" mit der "Existenz der Worte" kompatibel zu machen. Es geht um lebbare Metaphern vorgängiger Verhältnisse." (3)

Peter Sloterdijk




Die Sloterdijk-Debatte

Tsp.-Interview zur Sloterdijk-Debatte



(1) aus: "Begegnungen", ZDF/3Sat 1995,
Isabel Baumberger im Gespräch mit Peter Sloterdijk.
(2) aus: Reihe Perspektiven, Radio Kultur 1999, "Gespräche
zur Jahrhundertwende: Unsere Götter und die Zukunft des Glaubens"
Eberhard Sens und Rüdiger Safranski im Gespräch mit Peter Sloterdijk.
(3) aus: "Sternstunde Philosophie", 3Sat/SF 1999,
Podiumsdiskussion mit Peter Sloterdijk, Leitung: Erwin Koller.